Positionierung zum Verkehrsversuch

Der Verkehrsversuch in der Mannheimer Innenstadt hat das Potential, zu dem politischen Thema der nächsten Monate zu werden. Dabei geht es weniger um die sachbezogene Auseinandersetzung mit möglichen Verbesserungen für Einzelhandel, Besucher*innen und Bewohner*innen, sondern ausschließlich um das Thema, wie der Individualverkehr als vorrangige Mobilitätsform Vorfahrt genießt. Dabei wird vergessen, dass sich Mobilität weiterentwickelt hat und vielfältiger geworden ist. Das ist allgemein anerkannt, spiegelt sich aber oftmals nicht in der realen Politik wider.

Der Mannheimer Gemeinderat hat am 15. Oktober 2020 eine richtungsweisende Entscheidung getroffen und einen Verkehrsversuch beschlossen, dessen Dimension erst heute und damit drei Jahre danach erkennbar geworden ist. Deshalb lohnt sich der genaue Blick in diesen Beschlusstext, der mehrheitlich und auch mit den Stimmen von CDU und Grünen beschlossen wurde. Hier wurde wie folgt formuliert: „Der Verkehrsversuch soll für die Dauer von 12 Monaten durchgeführt werden. Nach der Evaluation wird darüber erneut im Ausschuss beraten.“ Damit werden zwei Dinge deutlich: Zum einen wird der Versuch weder abgebrochen noch unterbrochen, er endet wie damals festgelegt nach zwölf Monaten und damit im März 2023.

Beschlossen wurde aber auch, dass nach der Evaluation erneut beraten wird, um ein Fazit zu ziehen und die nächsten Schritte zur Umsetzung einer dauerhaften Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu besprechen. Das ist auch richtig, weil nicht alle Maßnahmen zu dem gewünschten Effekt geführt haben. So ist eine Unterbrechung der Durchfahrt am Stadthaus nur dann sinnvoll, wenn nicht die Hälfte der Fahrzeuge nach wenigen hundert Metern durch einen „U-Turn“ das Ziel der Einfahrt in die Kunststraße doch noch erreichen. Für mich ist darüber hinaus klar, dass wir mit den Freiflächen, die wir als neue Fußgängerzonen definiert haben, mehr machen müssen, als nur Paletten als Sitzmöglichkeiten anzubieten.

Das ist auch meine Kritik an dem Versuch: Was ich vermisst habe, sind beispielsweise Angebote im Sommer wie einen Eiswagen, eine Glühweinbude im Winter oder einen regelmäßigen Streetfood Markt. Die Stadtverwaltung hat nicht verstanden, dass die Emotionalisierung durch Aktionen und Attraktivierung und damit die Realisierung konkreter Nutzungsmöglichkeiten dabei geholfen hätte, den Verkehrsversuch positiv zu begleiten und zu besetzen. Hier ist eine einmalige Chance nicht genutzt worden. Ich bin mir sicher, dass der Versuch in der Öffentlichkeit anders wahrgenommen worden wäre.

Jetzt muss es darum gehen, die Auswertung abzuwarten und daraus Schlüsse zu ziehen, wie eine dauerhafte Umsetzung tatsächlich aussehen kann. Hier kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Schranke oder ein paar Warnbaken ausreichen. Dazu braucht es eine bauliche Veränderung, die den Anspruch haben muss, gestalterisch auf die Bedürfnisse der Nutzer*innen einzugehen. Das braucht Planungs- und Bauzeit und letztlich auch finanzielle Mittel. Die Verstetigung des Verkehrsversuchs ist aber nur ein Baustein, um die Innenstadt attraktiver und lebenswerter zu machen. Zur Veränderung in der Innenstadt gehört auch eine Verbesserung der Grünflächen und Plätze, auch das müssen wir erreichen. Insofern braucht es eine Gesamtvision, eine Idee, eine Perspektive, die Freiräume ermöglicht, den Handel fördert, Verkehre gezielt lenkt, das Wohnquartier aufwertet und durch einen klimaökologischen Umbau insbesondere die Hitzefolgen abmildert. Außerdem brauchen wir Konzepte, um beispielsweise Menschen mit Einschränkungen vom Parkhaus zum Zielort mobil zu machen oder kleinere Lasten zu transportieren. Das könnten auch außergewöhnliche Transportmittel wie eine Fahrradrikscha oder Elektromobile sein, die als Service angeboten werden. Hier würde ich mir mehr Kreativität wünschen, die praktikabel anzuwenden ist.